So wollen Forscher effizientere Masken entwickeln

Trotz steigender Inzidenzen sollen viele Schutzmaßnahmen enden – die Maskenpflicht vielerorts nicht. Ließe sich der Atemschutz im Kampf gegen Corona noch verbessern?

Frühlingsgefühle liegen in der Luft. Trotz anhaltender Corona-Pandemie scheint ein unbeschwerterer Sommer in greifbarer Nähe. Dafür sorgen die Ministerpräsidenten, die nun viele der bestehenden Schutzmaßnahmen kippen wollen. 

Lediglich die Maskenpflicht soll teilweise bestehen bleiben, um besonders vulnerable Personen zu schützen, etwa in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder im öffentlichen Nahverkehr. Und natürlich werden Vernünftige in Menschenversammlungen den Atemschutz auch weiterhin freiwillig tragen. Ein Anlass, um Rückschau zu halten. 

Was leisten die Masken und was könnten sie leisten? Gibt es hier nicht auch noch Optimierungspotenzial im Kampf gegen Corona?

Was eine Maske können muss
Die Anforderungen an Masken zum Schutz vor Corona haben sich in den vergangenen zwei Pandemiejahren dem jeweils aktuellen Forschungsstand angepasst. Nähten viele Deutsche sich vor zwei Jahren noch Stoffmasken, galt später vielerorts FFP2-Pflicht. Welche Masken wo zu tragen sind, liegt in der Hand der Politik. 

Ein Gutachten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nennt die Grundbedingungen, die gängige Masken erfüllen sollten. Die Filterleistung ist hierbei das entscheidende Kriterium. Nur wenn die Maske virenbeladene Aerosole neutralisiert, kann sie effektiv vor einer Infektion schützen. 

Die Filterleistung hängt neben der Materialbeschaffenheit auch vom Luftwiderstand des Gewebes ab. Das heißt: Mehr Schichten des Filtermaterials sorgen nicht zwangsläufig für einen höheren Schutz. Denn Luft sucht sich immer den geringsten Widerstand. 

Wird der Druck in der Maske größer und das Atmen anstrengender, sucht sie sich ihren Weg vorbei an den Seitenrändern der Maske. Diesen Fluchtweg für die Viren nennt man Leckage, und die kann die Filterleistung um ein Vielfaches verringern. Ein geringer Luftwiderstand und eine gut sitzende Maske in Kombination mit starker Filtertechnologie bestimmen also über den Schutz und Komfort der Masken. Für den Schutz vor Covid-19 ist die OP-Maske daher weniger geeignet 

OP-Maske weniger geeignet
Der Ursprung der OP-Masken steckt in ihrem Namen: Sie sollen Patienten in einem sterilen Arbeitsumfeld, wie bei einer Operation, vor den Keimen des medizinischen Fachpersonals schützen. Die Masken sind dabei auf bakterielle Erreger ausgelegt, die meist größer als Viren sind und daher weniger leistungsfähiges Filtermaterial benötigen. Für die Pandemie wurden sie gewissermaßen zweckentfremdet. 

Für den Schutz vor COVID-19 ist die OP-Maske daher weniger geeignet, heißt es in dem Gutachten der DGP. Das sei auch darauf zurückzuführen, dass die medizinischen Masken vor allem auf den Schutz anderer ausgelegt sind, aber nicht den oder die Tragende selbst vor Infektionen bewahrt. 

Das ist wie bei einem Luftballon, den man sich über den Kopf reibt. David Schmelzeisen vom Institut für Textiltechnik (ITA) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) 

Die Schutzwirkung von FFP2-Masken wiederum ist ursprünglich auf die Anwendung im Handwerk ausgelegt, beim Schleifen und Lackieren beispielsweise schützt sie vor den schädlichen festen oder flüssigen Partikeln – also auch vor Aerosolen bis zu einer gewissen Größe. Das heißt konkret, dass diese Masken für den Schutz vor Corona-Viren grundsätzlich gut geeignet sind. 

Schutz durch Passform
Die Filterleistung beider Maskentypen ergibt sich durch eine elektrostatische Ladung des Kunststoffgewebes. Die gegenpolig aufgeladenen Aerosole werden angezogen und die Coronaviren im Vlies festgehalten. 

„Das ist wie bei einem Luftballon, den man sich über den Kopf reibt“, sagt David Schmelzeisen vom Institut für Textiltechnik (ITA) der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH). „So wie die Haare durch die Reibung vom Ballon angezogen werden, so werden Aerosole von dem Filtermaterial angezogen.“ 

Weil FFP2-Masken über mehr Schichten Vlies verfügen als OP-Masken, ist die Filterleistung hier höher. Ein besserer Schutz gegen Coronaviren ergebe sich aber vor allem aus einer gut abdichtenden Passform, sagt Schmelzeisen. So entstehe ein Fremd- und Selbstschutz, wenn die Maske richtig getragen wird. 

Waschen von Masken nicht empfehlenswert
Doch es gibt einen Nachteil: Bei Feuchtigkeit verliert das Material die elektrostatische Ladung und damit die Anziehungskraft. „Auch das lässt sich mit dem Balloneffekt beschreiben“, erklärt der Experte. „Mit nassen Haaren kann man den Ballon so viel man will über den Kopf reiben, da passiert nichts.“ 

So sei es auch mit Aerosolen. Ist die Maske nass, können die Viren nicht mehr absorbiert werden. Deshalb ist das Waschen von Masken nicht zu empfehlen. Denn inwieweit die Kunststofffasern nach dem Trocknen erneut aufgeladen werden können, sei nicht mit Sicherheit zu bestimmen. 

Deshalb erforscht Schmelzeisen an der RWTH Aachen innovative Textilien mit dem Ziel wiederverwendbare Masken zu produzieren, die außerdem eine hygienischere Handhabung ermöglichen. Das Ergebnis sind Stoffe mit besonders engmaschigen Fasern. 

„Die Filterleistung entsteht hier mechanisch, quasi wie bei einem Nudelsieb. Und die Größe der Löcher entscheidet darüber, wie gut das Sieb funktioniert.“ 

99,9 Prozent der Viruspartikel neutralisiert
Wie ein Nudelsieb ist auch die erforschte Textilie waschbar und somit begrenzt wiederverwendbar. Die magnetische Beschichtung kann zudem Viren an der Außenseite unschädlich machen, indem sie das Spikeprotein aufzieht. „Die Oberfläche desinfiziert sich selbst. Wenn ich die Maske anfasse, kann ich also sicher sein, dass da keine Viren mehr drauf sind.“ 

Innerhalb weniger Stunden werden demnach 99,9 Prozent der Viruspartikel neutralisiert. Die Filterleistung sei vergleichbar mit der von FFP2-Masken. 

Trotzdem sind die Masken, die aus den untersuchten Stoffen gefertigt werden, als medizinische Masken normiert. Sie erfüllten nicht alle Kriterien an die FFP2-Norm, so Schmelzeisen. Beispielsweise seien die Textilfasern bisher nicht auf Funkenflug ausgelegt. 

Das Problem mit nicht aktualisierten Normen
Die Norm für FFP2-Masken richtet sich nach den Anforderungen im Handwerk, für die die Masken ursprünglich entwickelt wurden. Und beim Schweißen ist neben dem Schutz vor den Micro-Partikeln eben auch die Sicherheit vor fliegenden Funken von zentraler Bedeutung. 

Beim Infektionsschutz ist Brandsicherheit nicht nötig. Eine neue Norm für zweckgebundene Masken im Infektionsgeschehen ist allerdings noch nicht verfügbar. 

Zwar liegt seit April 2021 ein Antrag beim Deutschen Institut für Normung (DIN). Wie lange es dauert, bis die entsprechende Norm fertig ist, ist aber unklar. Ein erster Norm-Entwurf werde aber noch in diesem Jahr erwartet, so dass eine Abstimmung im ersten Quartal 2023 angestrebt werden könne. 

Für die Veröffentlichung fehle es aktuell noch an weitreichender Forschung, die beispielsweise auch die Atmungsaktivität für Kinder untersucht. 

Die Wirtschaft ist gefragt
Das Ziel einer Normierung sei Konsens aller Interessengruppen, vertreten durch 40 Mitarbeitende aus Wirtschaft, Wissenschaft, Öffentlichkeit und Arbeitsschutz, heißt es weiter. Normen könnten grundsätzlich von jedem vorgeschlagen werden. 

Der DIN zufolge ist es jedoch üblich, dass die Initiative aus dem betreffenden Wirtschaftszweig kommt. So auch bei einer Norm für Infektionsschutzmasken. Den Vorschlag zur Entwicklung besserer Masken hat die Zender Germany GmbH Ende 2020 eingereicht. 

Zender ist ursprünglich aus der Automobiltextil-Industrie bekannt, sattelte im Laufe des Jahres 2020 dann aber zusätzlich auf die Produktion von FFP2-Masken um. Mit diesem neuen Geschäftszweig konnte das Unternehmen Verluste von knapp einer halben Millionen Euro aus dem Vorjahr nicht nur abfangen, sondern auch frühere Gewinne um ein Vielfaches übertreffen. 

Die Stoffmaske, der Ladenhüter
Anders als Normen (DIN) dienen Standards (DIN SPEC) als vorübergehende Kriterien, die innovative Lösungen niedrigschwellig von der Forschung in den Markt transportieren und etablieren sollen. In diesem Prozess wird angestrebt, dass die beteiligten Akteure einstimmig agieren, dies ist jedoch keine Voraussetzung für die Verbreitung. 

So kann ein Ergebnis innerhalb weniger Monate erarbeitet und an den Start gebracht werden. Bereits 2020 hat es daher auch einen Standard für die als Community-Masken bekannten Modelle gegeben. Diese wurden im Zuge der Verschärfung von Corona-Maßnahmen in Deutschland jedoch als unzulänglich empfunden. Seit dem Winter 2021 sind die Stoffmasken daher zu ungewollten Ladenhütern mutiert. 

Schutz auch ohne Erfüllung der Norm
Die DIN verweist bei Kritik an den trägen Normierungsprozessen darauf, dass Normen keinesfalls gesetzlichen Vorgaben gleichkämen. Vielmehr könne eine Prüfung und Zertifizierung angemessener Schutzausrüstung auch ohne Erfüllung der Norm stattfinden. 

Den aktuell geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen des Infektionsschutzgesetzes folgend werde eine Richtlinie für Infektionsschutzmasken dennoch die bisher vorgeschriebenen Normen für OP- und FFP2-Masken erfüllen müssen, um in Betrieb genommen zu werden. 

Statt die Anforderungen zu multiplizieren, glaubt David Schmelzeisen jedoch, dass eine neue Normierung die Kriterien für OP- und FFP2-Masken intelligent kombinieren sollte. 

Mehr Innovation durch finanzielle Anreize?
Den Bedarf an Innovation im Maskenbereich hat nach mehr als zwei Jahren des pandemischen Krisenzustands auch die Politik erkannt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (ehemals Wirtschaft und Energie) startete im Sommer 2021 eine Ausschreibung zur Förderung für innovative Schutzausrüstung. 

Dabei sollen kleine und mittelständische Unternehmen im internationalen Wettbewerb gestärkt werden. Schwerpunkte sind hierbei die Erschließung neuer Bedarfe zum Schutz vor Virusinfektionen und die Sicherung der nationalen Reserve. Beides scheint den Blick auf bevorstehende Pandemien zu richten. Zudem sollen Produktionsprozesse automatisiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. 

Kreislauffähige Produkte stellen einen weiteren Schwerpunkt dar. Und auch die Begleitung eines Normierungs- und Zertifizierungsprozesses steht im Fokus der Fördermaßnahme. 

Die Bewerbungsfrist endete mit dem Jahr 2021. Die Förderung, die bei 200.000 Euro gedeckelt wird, soll sich auf einen Zeitraum von drei Jahren belaufen. Ob eine Maskenpflicht dann noch aktuell ist, bleibt abzuwarten. 

Johanna Gans; Handelsblatt, 16.03.2022

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