Seit dieser Woche gilt die bundesweite Maskenpflicht, alleine zwei Milliarden OP-Masken hat das Gesundheitsministerium zur Beschaffung ausgeschrieben. Hergestellt werden soll vermehrt in Deutschland. Denn auf dem Weltmarkt herrscht wegen der riesigen Nachfrage Mangel, zudem hängt die Versorgung stark vom Nachschub aus China ab, wo der Großteil aller Masken produziert wird. Mehr als 500 deutsche Textilbetriebe haben ihre Betriebsabläufe bereits umgestellt, um in die Produktion von OP-Masken, FFP-Masken und wiederverwendbarem Mundschutz einzusteigen.
Wie lange das gut geht, ist fraglich. Die Bundesregierung möchte „langfristig eine Säule der Eigenfertigung aufbauen, um Abhängigkeiten zu verringern“. Doch kaum sind die umfunktionierten Nähmaschinen angelaufen, sendet die Branche ein Warnsignal: Ein Bündel geplanter Umweltgesetze mache es künftig unmöglich, Masken und andere medizinische Schutzausrüstung in der EU zu produzieren, beklagt der Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie. „Während Unternehmen ums Überleben ringen und gleichzeitig eine Maskenproduktion aufbauen, wird hinter den Kulissen eifrig an Verschärfungen des Umweltrechts geschraubt“, sagt Verbandspräsidentin Ingeborg Neumann.
Geht es nach den Produzenten, sollen folgende Gesetzesvorhaben auf Eis gelegt werden: Die für 2021 geplante CO2-Steuer sowie die EU-weit angedachten Verschärfungen im Stoff- und Chemikalienrecht sowie beim Abfallrecht. Hintergrund ist etwa der Vorschlag zur Beschränkung von C6-Fluorchemie, insbesondere Perflourhexansäure, oder Mikroplastik, die Regulierung von Biozidprodukten und höhere Recyclinganforderungen. Konkret könnten durch die Gesetzesvorhaben kaum noch OP- und FFP-Masken in Europa produziert werden, meint der Textilverband – sie erhielten aufgrund der EU-Chemikalienverordnung keine Marktzulassung mehr.
Sogar von der „Deindustrialisierung Deutschlands“ ist die Rede
Insbesondere neue Regeln zu Schutztextilien könnten das Aus der Maskenproduktion bedeuten. So mache etwa die geplante Restriktion mehrerer Farbstoffe die Polyesterfärbung unmöglich. „Damit allein wären große Teile der Industrie weitgehend eliminiert“, so der Verband. Und der derzeit übliche Anteil von Mikroplastik in FFP-Masken mache diese zukünftig nicht mehr verkehrsfähig, da die Menge den neuen Höchstwert an „absichtlich zugesetztem Mikroplastik“ überschreite.
Der Branche werde der Boden ihrer Produktion entzogen, schreibt der Verband in einem Brief an Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), der WELT vorliegt. Die Konsequenz sei eine „Flucht der Produktion nach Asien“, von der „Deindustrialisierung Deutschlands“ ist gar die Rede.
Die riesige Nachfrage ist aber nur ein vermeintlicher Glücksfall für die Branche. In Asien, wo billig und unter laschen Umweltgesetzen produziert wird, sei die Maskenproduktion derzeit „wie Gelddrucken“, sagt ein chinesischer Hersteller. Auf dem deutschen Markt sieht es anders aus: „Gut ein Fünftel der Unternehmen weiß nicht, wie sie die nächsten Wochen überleben, es droht eine Pleitewelle“, so Neumann. In der Corona-Krise sei der Textilienmarkt „nahezu zusammengebrochen“. Ein Großteil der rund 1400 deutschen Betriebe beantragte Kurzarbeit.