Wie Sie bereits aus der breiten Presseberichterstattung erfahren haben, gab es am vergangenen Donnerstag, dem 11. Februar 2021 eine Einigung beim Lieferkettengesetz. Die drei Ressorts BMAS, BMZ und BMWi haben sich nach monatelangen Verhandlungen unter Vermittlung des Bundeskanzleramts auf die Eckpunkte eines Sorgfaltspflichtengesetzes („Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“) geeinigt.
Nunmehr wurde auch der entsprechende Referentenentwurf, an dem das BMAS parallel zu den Verhandlungen gearbeitet hat, in die Ressortabstimmung mit einer verkürzten Prüfungsfrist bis 23. Februar 2021 gebracht. Diesen finden Sie in der Anlage zum Download.
Die Kabinettsbefassung ist nach derzeitiger Planung für den 17. März 2021 vorgesehen. Der Gesamtverband textil+mode ist aktuell dabei, den Gesetzentwurf umfassend zu analysieren und steht hierzu auch im engen Austausch mit anderen Spitzenverbänden. Nach aktueller Planung ist davon auszugehen, dass den Spitzenverbänden für eine Stellungnahme zum Gesetzesentwurf nur wenige Tage eingeräumt werden.
Vorläufige erste Bewertung des Gesamtverbands t+m
Nach einer ersten vorläufigen Bewertung ist der Kompromiss-Charakter des Gesetzentwurfs deutlich sichtbar. So spiegelt der Entwurf unverkennbar die Interessen der verschiedenen Stakeholder-Gruppen wider. Entsprechend enthält das Papier aus Sicht unserer Industrie Licht und Schatten.
Grundsätzlich positiv ist, dass der vorliegende Gesetzesvorschlag gegenüber dem Eckpunktepapier vom letzten Jahr sowie der derzeit geführten Diskussion auf EU-Ebene eine deutliche Entschärfung darstellt. Dies gilt im Besonderen für den Verzicht der Einführung eines neuen zivilrechtlichen Haftungsregimes sowie für die Einschränkung des unmittelbaren Anwendungsbereichs auf größere Unternehmen. Allein vor diesem Hintergrund ist das Engagement der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände der letzten Monate daher als ein wichtiger erster Erfolg zu bewerten.
Auf der anderen Seite bleiben unsere bisherigen grundsätzlichen Kritikpunkte aber weiterhin bestehen. Hierzu zählt nicht nur das angesichts der Coronakrise denkbar schlechte Timing der Gesetzesinitiative, sondern auch die sehr kurze Umsetzungsperiode von weniger als zwei Jahren. Des Weiteren wird der Bürokratieaufwand deutlich zunehmen und die Unternehmen über alle Größen hinweg (unmittelbar oder mittelbar) spürbar belasten. Entgegen der Gesetzesbegründung und der Ankündigung der drei Minister in der vergangenen Woche werden die Folgen auch und vor allem für KMU zu spüren sein (vgl. etwa Präventionsmaßnahmen gegenüber Vertragspartnern nach § 7 Abs. 4 RefE).
Als bedenklich respektive schwerlich umsetzbar zu bewerten ist zudem die Ausweitung der Sorgfaltspflichten auf existenzsichernde Löhne (vgl. § 5 Satz 2 Nr. 7 RefE) und auf die „Herbeiführung einer schädlichen Bodenveränderung, Gewässerverunreinigung, Luftverunreinigung oder eines übermäßigen Wasserverbrauchs“ (vgl. § 5 Satz 2 Nr. 8 RefE).
Auch wenn sich die neuen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Due-Diligence-Pflichten an denen der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie am Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte orientieren, werden spätestens im Rahmen der Umsetzung sowie der behördlichen Kontrolle des neuen Gesetzes zahlreiche offene Fragen auf die Unternehmen zukommen und damit neue Rechts- und Planungsunsicherheit schaffen.
Unklar sind ferner noch die konkreten Folgen der Einführung einer besonderen Prozessstandschaft (§ 12 RefE), wonach künftig Gewerkschaften und NGOs mit Sitz in Deutschland Ansprüche von Betroffenen im eigenen Namen geltend machen können. Vergleichbare gesetzlich normierte Regelungen gibt es zum Beispiel bereits im Behindertengleichstellungsgesetz. Offen sind schließlich noch die Bußgeldhöchstgrenzen sowie das Verfahren der „risikobasierten Kontrolle“ durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle als zuständige Behörde. Letzteres soll durch eine Rechtsverordnung näher geregelt werden.