© Prof. Dr. Martin Luccarelli

Hochschule Reutlingen und Ettlin erforschen smarte Textilien

Im Rahmen des vom Wissenschaftsministeriums geförderten Projektes, bei dem das Südwesttextil-Mitglied Ettlin Forschungspartner ist, sollen interaktive, biobasierte Oberflächen (InBiO) für das nutzerorientierte PKW-Interieur entwickelt und so unter Verwendung nachhaltiger Materialien die Komplexität von Autointerieurkomponenten vereinfacht werden.

Autofahrer kennen das Phänomen der immer größer werdenden Anzahl von Bedienknöpfen, Anzeigen, Tasten und Monitoren im PKW-Interieur. Wo früher noch der elektrische Fensterheber, die Warnblinkanlage oder die Lüftung die dominierenden Bedienelemente waren, können heute von vordefinierten Fahrprogramme bis hin zu individuellen Innenraumbeleuchtungen oder Soundprofilen unzählige Einstellungen vorgenommen werden. Die zunehmende Interaktion zwischen Fahrzeug und Nutzer und auch zwischen Fahrzeug und Internet erfordern diese zusätzlichen Bedienelemente, jedoch steigt neben der Komplexität des Fahrzeuginterieurs auch das Gewicht des Fahrzeuges.

Das interdisziplinäre Forscherteam um Prof. Dr. Martin Luccarelli, Prof. Dr. Torsten Textor und Kai Nebel (Fakultät Textil & Design, Hochschule Reutlingen) sowie Prof. Dr. Natividad Martínez Madrid (Fakultät Informatik, Hochschule Reutlingen) haben es sich gemeinsam mit der Ettlin AG zum Ziel gemacht, auf Basis innovativer textiler Bedienoberflächen Schnittstellen zu entwickeln, die einfach und intuitiv zu bedienen sind und damit die Komplexität der Autointerieuerkomponenten verringern. „Von der Entwicklung neuer Schnittstellen auf Basis nachhaltiger Materialien im PKW profitiert nicht nur die Umwelt, sondern auch der Nutzer“, so Prof. Dr. Martin Luccarelli, stellvertretender Leiter des Lehr- und Forschungszentrums Interaktive Materialien (IMAT). „Einerseits wird durch Verwendung regionaler Rohstoffe bzw. inländischer Zwischenprodukte und durch den Einsatz biobasierter Materialien ein Beitrag zur nachhaltigen Ressourcennutzung geleistet, andererseits soll die Funktionalität in textilen Oberflächen integriert werden, um die Anzahl an klassischen, mechanischen Bedienelementen deutlich zu verringern“, führt Luccarelli aus. Im Zuge der Elektrifizierung und des autonomen Fahrens sollen zukünftig neue funktionale Anforderungen an Materialien und Bedienbarkeit gestellt werden. Die neue benutzerfreundliche Anordnung von Bedienelementen in Innenraumoberflächen soll die Interaktion der Passagiere mit dem Fahrzeug durch eine intuitive Bedienung mit Berücksichtigung der derzeitigen und zukünftigen Anforderungen verbessern. Die Oberfläche soll dabei selbst zur Schnittstelle werden, indem die Leuchtfähigkeit als auch Schalterfunktionen schon bei der Herstellung in das Textil integriert werden.

„Die Informatik ist als Wissenschaft immer mehr Domain-übergreifend gefordert und agiert als Integrator über neuartige Hardware und Software-Schnittstellen, um Synergien zu nutzen. Die Schnittstellen müssen zum Teil ganz neu entworfen werden, um ein integraler Bestandteil für Mensch-Technik-Innovationen zu werden, die man mehr und mehr im automobilen Umfeld braucht”, erklärt Prof. Dr. Martínez Madrid über die Rolle der Informatik in diesem Forschungsprojekt. Sie führt weiter aus: „Das vorliegende Projekt ist eine beispielhafte Kooperation, die klassische Systemgrenzen überwindet, um so neue Innovationen zu schaffen. Dies kennt man bereits aus dem medizinischen Umfeld, das ebenfalls eine Revolution erlebt, in der die klassischen Grenzen überwunden werden.”

Forschungspartner des Projektes ist die weltweit agierende Ettlin AG, die technische Textilien erforscht, entwickelt und produziert. Dr.-Ing. Oliver Maetschke, Geschäftsführer ETTLIN Spinnerei und Weberei Produktions GmbH & http://Co.KG, erklärt zu Beginn des Projektes: „Wir freuen uns sehr auf den Projektstart und die Zusammenarbeit mit der Hochschule Reutlingen. Das Timing ist perfekt, da sich aktuell zahlreiche Automobilhersteller und Zulieferer mit der Integration von ETTLIN LUX® Textilien an unterschiedlichen Stellen im Fahrzeug beschäftigen. Wir werden Prof. Dr. Martin Luccarelli und sein Team mit all unserem Know-how unterstützen.“

Über das Zentrum für Interaktive Materialien (IMAT):
Das IMAT bündelt das Know-how der Hochschule Reutlingen auf den Gebieten Faser-, Textil-, und Vliestechnologie, Nachhaltigkeit, Recycling und nachwachsende Rohstoffe mit dem breiten Wissen des Deutschen Instituts für Textil- und Faserforschung Denkendorf (DITF). Der kooperative Forschungs- und Lehrverbund versteht sich als Innovationsmotor, um Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der interaktiven Materialien voran zu treiben. Das Zentrum verfügt über eine hochwertige, komplementäre Geräteausstattung und zahlreiche Kontakte zu regionalen und überregionalen Industriepartnern. Dem Zentrum angeschlossen ist der Masterstudiengang „Interdisziplinäre Produktentwicklung“. Er richtet sich an Bachelor-Absolventen aus den Studienrichtungen Textil- und Bekleidungstechnologie, Design, Ingenieurwissenschaften, Informatik, Chemie und Verfahrenstechnik. Durch seine projekt- und forschungsorientierte Ausrichtung sollen interdisziplinäres Denken gefördert, Synergien genutzt und fachliche Tiefe erzeugt werden.

Über Forschungsprojekte im Rahmen des „HAW-KMU-TT“ Programms an der Hochschule Reutlingen
Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg fördert mit dem erstmals ausgeschriebenen Programm „HAW-KMU-TT“ den forschungsorientierten Technologietransfer zwischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) und kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) der Region. Etwa 6 Millionen Euro Fördermittel wurden für das Programm vergeben. Besonders erfolgreich war die Hochschule Reutlingen: Vier Projekte aus den Fakultäten Angewandte Chemie, Informatik, Technik sowie Textil & Design haben die Gutachter überzeugt und werden mit rund 1,8 Millionen gefördert.

Foto: Material perception in alternative fuel car interiors. Increasing marketability through green design cues. 30th International Electric Vehicle Symposium & Exhibition, Stuttgart, Germany, October 9–11
© Prof. Dr. Martin Luccarelli

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