Die Initiative der Europäischen Kommission (EU KOM) zur Erarbeitung einer EU-Textilstrategie soll die Branche sowohl bei der Erholung von der Corona-Krise unterstützen als auch gleichzeitig den Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit einläuten. Dabei soll u. a. der ökologische Fußabdruck reduziert sowie die Kreislauffähigkeit von Textilien erhöht werden. Ebenso sollen Aspekte von Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards in der Strategie mit angesprochen werden.
Die Vorbereitungen dafür laufen in Brüssel auf Hochtouren. So wurde im Januar 2021 offiziell ein Konsultationsverfahren eröffnet, die aktuelle Befragung der Öffentlichkeit läuft noch bis 4. August 2021.
Die Konsultation können Sie hier einsehen.
Wohin wird die EU-Textilindustrie transformiert?
Jeder EU-Bürger soll in einer „Public Consultation“ mitbestimmen, wohin die EU-Textilindustrie gesteuert wird und wie dieser Umbau aussehen soll. Eine Industrie, die als Querschnittsindustrie in alle maßgeblichen EU-Wertschöpfungsketten liefert, ist ein strategisches Bindeglied und somit unverzichtbar für die Versorgung unserer Gesellschaft. Wissen Politik und Öffentlichkeit, wie vielfältig die heimische Textilindustrie aufgestellt ist und welche Schlüsselrolle sie spielt? Können sie das überhaupt beurteilen? Was bezweckt die EU-Kommission damit?
Der Treiber hinter dem Circular Economy Action Plan (CEAP) und dem Green Deal ist vor allem die „Fast Fashion“-Industrie, sprich die maßgeblich aus Asien in die EU importierten Bekleidungstextilien und alle damit verbundenen Umwelt- und Ressourcenprobleme. Sie forcieren in der Politik die Regulierungen der heimischen Textilindustrie, die eben nicht für die europäische Textilindustrie repräsentativ sind. Einer EU-Industrie, die nach weltweit höchsten Umweltstandards und mit geringstem Ressourcenverbrauch produziert.
Ausgerechnet der deutschen Textilindustrie droht dabei die höchste Gefahr, einer Industrie, deren permanenter Wandel aus Eigenantrieb schon seit Jahrzehnten Überlebensprogramm war und ist. Nur mit nachhaltigen Prozessen, Technologien und Produkten, der Innovationskraft und vielen guten Ideen konnte die maßgebliche Transformation hin zu technischen Textilen erfolgreich geschafft werden.
Aufgrund der derzeitigen Regulierungs- und Gesetzgebungswut ist die mittelständisch geprägte heimische Textilindustrie in ihrer Existenz gefährdet.
Hier einige Beispiele:• Unzählige Chemikalienregulierungen, Restriktionen und Verbote
- CO2-Steuern, CO2 Einsparungsvorgaben, EEG &Co
- Taxonomie= „Grüne“ Unternehmensfinanzierung
- EPR=Expanded Producer Responsibility
- SPI=Sustainable Products Initiative
- Ausufernde Dokumentationspflichten
- Ausufernde Rezertifizierungs-Gutachten- und Prüfkostenauflagen
- Neue, oft komplizierte Regulierungen wie in der Medizinproduktverordnung (MDR), Verordnung über persönliche Schutzausrüstungen u.v.m.
Die Frage, die hier gestellt werden muss: Wer in der Politik und in den Behörden überblickt überhaupt noch die Folgen für die Industrie bzw. wer steuert die ganzen Prozesse mit der Zielsetzung, dass alles noch sinnvoll zusammenwirkt?
Ein Warnhinweis zum Green Deal aus den Hintergrunddokumenten der EU-Kommission lässt hier aufhorchen: „In the short term, there may be job losses resulting from new legal requirements or increased costs…“
Jetzt ist es dringend an der Zeit, dass die Textiler proaktiv die neue EU-Textilstrategie gestalten, bevor es andere tun, denn sie kennen ihre Branche am besten.
Die vielen Diskussionen rund um die Textilstrategie zeigen, dass die Textilindustrie sich mit vielen Stimmen einbringen muss – insbesondere, um mit vielen Missverständnissen aufzuräumen und das große Engagement der Industrie hin zu nachhaltigeren Wertschöpfungsketten zu unterstreichen. Es kommt daher darauf an, dass möglichst viele Unternehmen und Verbände den Fragebogen der Kommission beantworten.
Sofern Sie es noch nicht gemacht haben – bitte nehmen Sie unbedingt an der Befragung teil!
Als Download erhalten Sie zur Unterstützung einen bereits intensiv diskutierten Entwurf einer Antwort des Gesamtverbands textil+mode sowie eine Ausfüllhilfe.
Gerne nehmen wir auch noch weitere Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge auf, damit Ihre Ideen und Anregungen über die Textilverbände in Europa Gehör finden.